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Berufung «verspätet» leben

Aktualisiert: 10. Feb. 2021

Es dürfte vielen bekannt vorkommen: Man spürt eine Berufung, möchte diese auch gehen – und dann verliebt man sich. War die Berufung nur Einbildung?

Ich habe viele Personen getroffen, die dies auch hatten (mich eingeschlossen). Und ich habe verschiedene Wege der Personen gesehen: Da sind die einen, die sich ihrer Berufung «sicher» sind, wissen dass Gottes Liebe sie ruft. Sie kämpfen darum.

Dann gibt es diejenigen, die sich auf die Beziehung (zunächst) einmal einlassen, «zweigleisig fahren» und dann spüren: Mich will Gott ganz für sich haben.

Und es gibt diejenigen, die diese menschliche Liebe leben. Vor ungefähr 30 Jahren hatte eine Bekannte zu mir da mal gesagt: «Kloster? Nein, jetzt habe ich eine Beziehung, das Kloster war nur Einbildung.»  Ich konnte vieler derer kennenlernen, die dann geheiratet haben, heute geschieden sind und es bitter bereuen, die Berufung nicht gelebt zu haben, gleichzeitig denken, es wäre zu spät. Dass dies nicht so ist, zeigt Natalie Hanke, die selbst zu Wort kommt:

«Überfließend ist die Gnade Gottes, und sie findet immer Wege.»


Dass man auch über viele Umwege bzw. Irrwege schließlich zu seiner Berufung finden kann, zeigt mein Leben sehr deutlich.  Geboren wurde ich im Jahre 1975 und wuchs zusammen mit einer um sechs Jahre jüngeren Schwester bei meiner alleinerziehenden Mutter auf, welche zwar dem Taufschein nach katholisch war, aber von Religion nichts wissen wollte. Wir Kinder wurden nicht getauft, nahmen jedoch in der Schule am Religionsunterricht teil. Glücklicherweise hatte ich sowohl in der Grundschule als auch in den ersten beiden Jahren der weiterführenden Schule Religionslehrer «vom alten Schlag», die noch wirkliche Inhalte vermittelten und bei mir damit sozusagen die Initialzündung bewirkten.

Durch einen Umzug kurz nach meinem 13. Geburtstag wurde mein frisch erwachtes Interesse am katholischen Glauben noch gesteigert, denn die neue Wohnung lag schräg gegenüber der katholischen Pfarrkirche. Regelmäßig hörte ich die Glocken läuten, und wenn ich aus dem Fenster blickte, sah ich Leute hineingehen und wieder herauskommen. Ende des Jahres 1989 - ich weiß es noch, als sei es erst gestern gewesen – siegte dann die Neugierde, und ich schlich mich zur Vorabendmesse am Samstag in die Kirche. Es war der 23. Dezember, ich war wenige Tage zuvor 14 Jahre alt geworden, und so kurz vor dem Weihnachtsfest wurde ich von der liturgischen Dichte des Advents mit voller Wucht getroffen. Obwohl ich nichts begriff, weil mir der Ablauf einer katholischen Messe ja fremd war, und wie ein Zaungast verstohlen beobachtend in einer der hintersten Bänke saß, spürte und erkannte ich mit einem Schlag: Hier ist das Leben, GOTT ist das Leben, und ich brauche IHN wie die Luft zum Atmen. Als die Messe vorüber war, ging ich wie benommen nach Hause. Eine brennende Sehnsucht war in mir erwacht.

In den folgenden zwei Jahren nahm ich weiter am Religionsunterricht teil und las mit gesteigertem Interesse in der Heiligen Schrift. Ab und zu suchte ich auch die Kirche auf, manchmal zur Messe, deren Ablauf ich mir allmählich durch Beobachten und Nachlesen aneignete, aber auch außerhalb der Gottesdienstzeiten zu stillem Gebet und Nachdenken. Allerdings musste ich das zunehmend heimlich tun, denn meine Mutter beobachtete meine Hinwendung zum Glauben mit steigendem Argwohn, der in Ablehnung umschlug. Sie übte Druck aus, wollte mich am Kirchgang hindern, überzog mich mit Vorwürfen, Beschimpfungen und Spott (z.B. nannte sie mich «dämliche Betschwester») und wurde sogar gewalttätig. Um mich so weit als möglich zu schützen, sah ich mich gezwungen, meiner religiösen Neigung im Verborgenen nachzugehen. All das kostete viel Kraft.

Im Sommer 1991 bekam unsere Pfarrei einen jungen Kaplan zugeteilt. Bei einem Pfarrfest  nahm ich all meinen Mut zusammen und sprach ihn an. Darauf entstand ein intensiver Kontakt mit regelmäßigen Gesprächen, sozusagen meine erste informelle Katechese. Der junge Priester nahm mich sehr ernst, stellte sich geduldig all meinen Fragen und vermittelte mir das Gefühl, willkommen zu sein. Natürlich stand recht bald die Frage nach der Taufe im Raum, aber so weit war ich noch nicht. Jedoch zeigte ich Interesse an der Beichte, und nach einigem Nachdenken erlaubte der Kaplan mir sozusagen inoffiziell, einigermaßen regelmäßig das Bußsakrament zu empfangen. Jenseits aller verstandesmäßigen Erklärungen hatte ich mit meinen 15 Jahren begriffen, dass ich Vergebung und Gnade in meinem Leben brauchte, und dass dieses Sakrament eine vorzügliche Quelle ist, aus der ich beides erlangen kann. Dass ich bis heute oft und gern beichte, habe ich zum Großteil diesem frühen Beginn sowie der liebevollen Geduld und dem Glaubenseifer dieses Priesters zu verdanken.

Mit 17 Jahren bekam ich Kontakt zu Benediktinerinnen der Beuroner Kongregation, der über viele Jahre andauern sollte. Während eines Klosteraufenthaltes über Pfingsten 1993 verbrachte ich viele Stunden in der wunderschön ausgemalten Abteikirche, im Gebet unter vielen Tränen mit Gott ringend, der mich rief und zog, und ich wusste: Jetzt muss ich mich taufen lassen, ich darf nicht mehr zögern. Es zog sich trotzdem noch ein Weilchen hin, aber im Oktober 1994 begann ich den Katechumenat und empfing nur zwei Monate später die Sakramente der Initiation: Taufe, Firmung und Kommunion. Endlich, endlich war ich katholisch!

Mit dem Kloster pflegte ich auch weiterhin intensiven Kontakt, oft besuchte ich die Schwestern, betete mit ihnen und führte viele Gespräche. Die aufkeimende Frage nach einer eigenen Klosterberufung war schnell entschieden: Mir war klar, dass das nichts für mich war. Aber ich spürte, dass Gott noch etwas von mir wollte. Irgendjemand machte mich darauf aufmerksam, dass es auch Säkularinstitute gibt, also schaute ich mich dort um, aber auch dort fand ich keine Antwort auf die Frage, die mich innerlich umtrieb. Durch einen Zufall, den ich nur als Fügung Gottes bezeichnen kann, wurde ich nach einigen Jahren des Suchens mit der Lebensform der geweihten Jungfrau konfrontiert. Das war die Antwort! Über die Vermittlung unseres damaligen Jugendpfarrers gelangte ich zur Diözesanstelle «Berufe der Kirche» und schrieb nach einer Weile in diesem Anliegen an meinen Bischof. Dieser bestimmte mir den damaligen Regens des Priesterseminars zum Mentor, und der nächste Schritt bestand darin, dass ich etwa alle zwei Monate zu intensiven vorbereitenden Gesprächen ins Priesterseminar fuhr. Der weitere Weg schien vorgezeichnet.

Dann aber lernte ich 2003 einen Mann kennen, in den ich mich verliebte. Ich wurde schwanger, wir heirateten im Sommer 2004, und kurz darauf brachte ich unseren gemeinsamen Sohn zur Welt. Eine Tochter folgte 2009. Leider zerbrach diese Ehe sehr leidvoll, und auch eine weitere Beziehung scheiterte unter höchst tragischen Umständen. Nunmehr geschieden und alleinerziehend, benötigte ich geraume Zeit, um erlittene Verletzungen zu verarbeiten und mein Leben neu zu sortieren.

Im Laufe des Jahres 2014 beschäftigte ich mich mit der Marienweihe, die ich im September desselben Jahres ablegte. Ungefähr um diese Zeit spürte ich zu meinem nicht geringen Erstaunen, dass sich die anfängliche Berufung erneut in mir regte. Das Verlangen, nur noch für Jesus Christus zu leben, ließ mir keine Ruhe. Da ich nun aber die Voraussetzung für die Jungfrauenweihe nicht mehr erfüllte, blieb nur der Weg zu einem privaten Gelübde. Der Weggang meines damaligen priesterlichen Begleiters nach nur einem Jahr des gemeinsamen Weges machte einen Priesterwechsel notwendig. Durch Gottes Hilfe und Beistand fand ich im Sommer 2015 zu meinem jetzigen Beichtvater und geistlichen Begleiter. Dieser nahm mein Anliegen mit äußerstem Wohlwollen auf und ermutigte mich, dem Ruf des Herrn zu folgen. Dies tat ich, indem ich am 26. November 2015 vor dem ausgesetzten Allerheiligsten mein Versprechen durch die Hände des Priesters Gott darbrachte, zunächst auf ein Jahr befristet, um mich nochmals zu prüfen. Nach Ablauf dieses Jahres band ich mich endgültig in Keuschheit und Ehelosigkeit an den Göttlichen Bräutigam. Zu diesem Anlass lud ich eine handvoll Freunde ein, und wir begingen eine kleine Liturgie, gefolgt von einer Kaffeetafel.

Seither lebe ich im gottgeweihten Stand als Braut Christi und kümmere mich gleichzeitig als alleinerziehende Mutter mit einem Minijob um meine  Tochter (mein  Sohn lebt nicht in meinem Haushalt). Das verlangt nicht selten einen Spagat, unter dem vor allem ein geregeltes Gebetsleben leidet. Meine Fixpunkte sind die intensiven Gespräche mit meinem Beichtvater, bei denen ich jeweils das Sakrament der Buße und auf Wunsch im Anschluss die heilige Kommunion empfange. Aus diesen Sakramenten lebe ich, durch die Vermittlung des Priesters schenkt mir Jesus immer neu Seine Gnade, Seine Liebe, Seine Nähe. Zwischen den Terminen,  ist mein Beichtvater für mich immer per Mail oder WhatsApp erreichbar, wenn ich Fragen habe oder einfach eine Last bzw. ein Gebetsanliegen abgeben will.  Er begleitet mich inzwischen seit über drei Jahren wie ein guter Hirte.

In dem Maße, in dem meine Tochter größer und selbstständiger wird, werde ich mein geistliches Leben irgendwann auch wieder intensivieren können. Im Moment muss ich da noch viele Zugeständnisse machen. Aber die Liebe zu Ihm, den ich zu meinem Bräutigam erwählt habe, ist ungebrochen und wächst immer weiter, und wenn ich Ihm oft auch nur wenig geben kann, so tröstet mich doch der Gedanke daran, dass nicht die Größe der Gabe entscheidend ist, sondern das Maß der Liebe und Hingabe, mit der man sie dem Herrn schenkt. Das Größte habe ich Ihm bereits geschenkt: mich selbst mit Haut und Haar, mit Leib, Seele und Geist... und in dieser Hingabe an Ihn will ich leben bis zu meinem Tode, um Ihm einst ewig anzugehören in der Ewigkeit.

Jeder der dieses Zeugnis liest, möge für alle Männer und Frauen mit Privatversprechen beten und für alle, die denken, es wäre zu spät, die Berufung zu leben.



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